Da wundert man sich denn doch: Brita Steinwendtner, seit über drei Jahrzehnten mit Romanen, Erzählungen, Essays, Drehbüchern, Lyrik und mit Hörfunkarbeiten dauerhaft nicht nur in der Kulturlandschaft Österreichs präsent, als Herausgeberin, Regisseurin und als Intendantin der Rauriser Literaturtage (1990-2012) einschlägig profiliert und mit etlichen Preisen und Auszeichnungen bedacht, ist auf literaturkritik.de bislang nur ein einziges Mal Aufmerksamkeit geschenkt worden. Für ihre „poetische Annäherung“ Du Engel Du Teufel. Emmy Haesele und Alfred Kubin – eine Liebesgeschichte aus dem Jahr 2009 nämlich. Hingegen blieben auch jüngste Veröffentlichungen – der von imponierendem Einfühlungsvermögen, tiefer Humanität und mitreißender Sprach- und Gestaltungskraft zeugende historische Roman Gesicht im blinden Spiegel (2020) und das ebenso intensiv durchdringende wie leichtfüßig daherkommende „Geflecht“ aus Autobiographie, „Landschaften und Lebensgeschichten“ An den Gestaden des Wortes. Dichterlandschaften (2022) – an dieser Stelle unbeachtet. Woran mag das liegen? An einer den Einzelfall weit übersteigenden, sich selbst das Zentrum wähnenden ‚Sehschwäche‘ der dem Identitätsgehabe nach immer noch alten Bundesrepublik Deutschland für das nun schon gut ein Jahrhundert lang ‚kleine‘ Österreich vielleicht? Dem hat die deutschsprachige Literatur allein der letzten 130 Jahre allerdings im Wortsinn unendlich viel zu verdanken. So in unserer Zeit auch Brita Steinwendtner.
Leseprobe
Veröffentlichung: 08/2020
ISBN: 978-3-7013-1279-5
Auflage: 2
371 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Preis: € 28,00
E-Book: € 22,99
Die 2. Auflage ist am 20.01.2021 erschienen.
Johannes ist jung, musikalisch und kriegsbegeistert. Mit sechzehn Jahren zieht er im Juli 1866 als Trompetenspieler in die Schlacht von Königgrätz zwischen der österreichischen und preußischen Armee. Verletzt überlebt er, fortan fehlt ihm jedoch ein Teil von Wange und Kinn. Der junge Mann lernt zu leben mit dem, was nicht mehr da ist. Er stellt sich Spott und Ablehnung, erlernt den Beruf des Kunstschmieds und stärkt sich an seinem handwerklichen und kaufmännischen Geschick. Halt findet er in der Musik – er hat zum Cello gewechselt – und bei Valerie, seiner Liebe, die ihm zunächst unerreichbar scheint. Mit großem Gespür für ihre Figuren erzählt Brita Steinwendtner in diesem atmosphärisch dichten Roman das zeitlose Schicksal eines Mannes, dem es gelingt, den widrigen Zeitläuften die Stirn zu bieten und seine pazifistische Haltung zu wahren.
„Gesicht im blinden Spiegel“ entwirft das weit gespannte Panorama einer fesselnden Familien- und Zeitgeschichte über mehrere Jahrzehnte und führt in unterschiedliche Landschaften – vom „Böhmischen Paradies“ über das Sensengebiet des österreichischen Steyr-Tals bis in das „weiße Haus“ von Venedig. Es ist eine vielstimmig erzählte Geschichte von Krieg und trügerischem Frieden, neuen Lebensentwürfen in der Fremde und vom Heimkommen. Ein Roman über die Liebe und die Wiederkehr des Sommers.
Coverbild: Alexander Steinwendtner